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Bild: Selber fotografiert

Wingsurfen im Winter wirkt auf viele zunächst ungewöhnlich. Doch wer einmal die klare Winterluft, die ruhigen Spots und das spiegelglatte Wasser erlebt hat, versteht schnell, warum die kalte Jahreszeit bei Wingfoilern als die lernintensivste Zeit des Jahres gilt. Der Winter bringt konstante Winde, deutlich mehr Platz am Spot und ein Trainingsumfeld, das Fortschritte schneller sichtbar macht als die überfüllten Sessions im Sommer. Mit der passenden Ausrüstung, einer klugen Session-Planung und etwas Know-how wird jede Winter-Session nicht nur sicher, sondern überraschend komfortabel.

Warum Wingsurfen im Winter so effektiv ist

Wenn die Strände und Seen leer sind, beginnt für viele Wingfoiler die produktivste Phase des Jahres. Das ruhige Wasser erleichtert sowohl Halsen als auch erste Foil-Manöver, und der konstante Druck des Winterwinds sorgt dafür, dass du weniger Zeit mit Anpumpen und mehr Zeit mit tatsächlichem Fahren verbringst. Die Kälte wirkt auf viele abschreckend, doch schon nach wenigen Minuten auf dem Foil stellt sich eine angenehme Grundwärme ein — Foilen ist aktiver, als es von außen aussieht. Gleichzeitig zwingt dich der Winter dazu, kürzere, fokussiertere Sessions zu fahren. Genau das ist oft der Grund, warum viele Fahrer nach dem Wintertechnik-Boost im Frühjahr plötzlich Levelsprünge machen.

Die richtige Ausrüstung: Warm, sicher und funktional

Im Winter entscheidet die Ausrüstung darüber, ob eine Session Spaß macht oder ob sie nach zehn Minuten endet. Ein gut sitzender Neoprenanzug ist dabei das Herzstück. Für Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt greifen die meisten zu 5/4- oder 6/5/4-Millimeter-Anzügen mit integrierter Kapuze. Die Haube macht dabei oft den größten Unterschied, denn über den Kopf geht am meisten Wärme verloren. Wer schnell friert, wählt die dickere Variante oder kombiniert den Anzug mit einer separaten Haube, die sauber am Kragen abschließt.

Auch Handschuhe beeinflussen deine Sessionlänge deutlich. Dicke Neopren-Fäustlinge halten die Hände am besten warm, reduzieren aber das Griffgefühl. Offene Fäustlinge und Hybridmodelle bieten eine ideale Mischung aus Wärme und Kontrolle und werden von vielen fortgeschrittenen Ridern bevorzugt. Wichtig ist, dass sich Handschuhe und Griffdicke deines Wings ergänzen: Weiche, etwas dünnere Griffe sind wesentlich angenehmer und führen dazu, dass der Unterarm deutlich später ermüdet.

Gute 5-mm-Schuhe sorgen für warmen Halt auf dem Board, während Ohrstöpsel dich vor kaltem Wind schützen. Eine Prallschutzweste und ein Helm liefern nicht nur Sicherheit, sondern auch eine zusätzliche Wärmeschicht. Viele Winterfahrer wählen außerdem ein etwas größeres Boardvolumen, um weniger Zeit im kalten Wasser und mehr Zeit stabil auf dem Board zu verbringen.

Die richtige Spotwahl für Wingsurfen im Winter

Wohin du im Winter fährst, entscheidet oft darüber, ob deine Session entspannt oder riskant wird. Windrichtungen, die im Sommer gut funktionieren, können im Winter problematisch sein. Side- und Side-Onshore-Winde sind ideal, weil sie dir immer eine sichere Rückfahrtslinie bieten. Offshore-Wind sollte in der kalten Jahreszeit grundsätzlich gemieden werden.

Auch Wassertiefe und Untergrund spielen eine größere Rolle als im Sommer. Checke deshalb vor dem Start, wo du gefahrlos ab- und aufsteigen kannst. Auch die Erreichbarkeit des Ufers ist wichtig: Kurze Wege verhindern, dass du bei einer Pause zu schnell auskühlst. Ebenso entscheidend: Wer beobachtet dich am Strand? Und wie reagierst du, wenn das Wetter schneller umschlägt als erwartet?

Winterwetter ist dynamisch — Winddreher, Schneeschauer oder ein plötzlicher Temperatursturz passieren oft innerhalb weniger Minuten. Wenn du frühzeitig ein realistisches Wetterfenster planst, erhöht das die Sicherheit und sorgt für mehr Genuss auf dem Wasser.

Technik & Training: So holst du im Winter am meisten heraus

Wingsurfen im Winter folgt einem anderen Rhythmus. Lange Sessions, wie sie im Sommer üblich sind, sind selten sinnvoll. Stattdessen zahlt sich ein gezielter Aufbau aus: Ein kurzes Warm-up von zehn Minuten bringt Kreislauf und Muskulatur in Schwung und sorgt dafür, dass du direkt sauber einsteigst, statt Energie im kalten Wasser zu verlieren. Plane Ihre Einheiten so, dass sie den Windpeak und — wenn möglich — die Sonne nutzen.

Eine 20–40-minütige, konzentrierte Einheit auf dem Wasser bringt oft mehr Fortschritt als eine 90-minütige Sommerausfahrt. Wenn Hände oder Füße kalt werden, geh kurz an Land, wärme dich auf, und starte erneut.

Auch das Training außerhalb des Wassers hat im Winter enormes Potenzial. Viele Rider nutzen Longboards oder Surfskates, um Turns, Griffwechsel und Haltungswechsel zu üben. Manche verlagern ihr Wingtraining sogar in den Schnee: Winghandling mit Ski oder Snowboard vermittelt ein erstaunlich gutes Gefühl für Balance und Druck — und macht zusätzlich richtig Spaß. Die meisten Wingschulen setzen inzwischen Funkhelme ein, sodass du selbst kurze Wintertrainings mit direktem Coaching kombinieren kannst.

Reiseziele für warme Wing-Sessions

Für alle, die Kälte vermeiden möchten, bietet der Winter hervorragende Wing-Reviere. In der Karibik findest du warme Luft, konstante Passatwinde und glasklares Wasser. Brasilien bleibt die zuverlässigste Windbank, besonders rund um Jericoacoara und Cumbuco. Die Kanaren, allen voran El Médano, sind Europas Winterklassiker, während Marokkos Dakhla mit seiner riesigen Lagune Flachwasserfans begeistert.
Kapverden, Sansibar, Sri Lanka und Ägypten ergänzen die Liste der Orte, an denen du selbst im tiefsten Winter in Boardshorts fahren kannst.

Materialwahl: Wing, Foil & Board im Winter

Bei geringeren Temperaturen lohnt es sich, die Materialwahl leicht anzupassen. Viele Fahrer wählen größere Frontwings zwischen 1400 und 2000 cm², weil sie früh abheben und stabil über Winterwasser gleiten. Beim Board darf es im Winter gerne ein wenig mehr Volumen sein, da du dadurch schneller aus dem Wasser kommst und weniger Energie verlierst.

Wings zwischen vier und fünf Quadratmetern funktionieren für viele Fahrer erstaunlich gut und decken den für wintertypischen Windbereich um die zehn bis zwanzig Knoten perfekt ab. Der Vorteil gegenüber Wind- und Kitesurfen liegt klar auf der Hand: Das Setup ist klein, schnell aufgebaut und benötigt weder Startfläche noch Helfer.

Fazit

Wingsurfen im Winter ist kein Ausnahmeabenteuer, sondern eine der effektivsten Möglichkeiten, Technik, Sicherheit und Kondition gleichzeitig zu verbessern. Mit warmer Ausrüstung, kluger Planung und etwas Erfahrung wird der Winter zur hochwertigen Trainingszeit — egal, ob du zuhause bleibst oder warme Reiseziele bevorzugst. Wer jetzt übt, profitiert im Frühjahr von deutlich mehr Kontrolle, Balance und Selbstvertrauen auf dem Foil.


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